Saarbrücker Zeitung, 20.06.2015: „Lager Lebach schließen“

Flüchtlingsrat-Vorstand Röder lobt neue Willkommenskultur

Heute wird am UN-Weltflüchtlingstag über die inzwischen 50 Millionen Menschen diskutiert, die weltweit auf der Flucht sind. Allein das Saarland wird in diesem Jahr wohl 5000 neue Flüchtlinge aufnehmen.
SZ-Redakteur Dietmar Klostermann sprach darüber mit Roland Röder, dem Vorstand des Saarländischen Flüchtlingsrates.

Herr Röder, die Landesintegrationsbeauftragte und Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) will eine „aktive Willkommenskultur“ für Flüchtlinge im Saarland. Was fehlt noch, um diese aktive Willkommenskultur sicherzustellen?

Röder: Zum einen die Schließung des Flüchtlingslagers Lebach. Vorneweg und sofort die Umstellung im Lager Lebach von Lebensmittelpaketen auf Geldzuwendungen. Das ist auch das, was die überwältigende Mehrheit der Flüchtlinge dort will. Das Lager muss umfunktioniert werden in eine Erstaufnahmeeinrichtung. Drei Monate Aufenthalt reichen zur Erstorientierung im Lager Lebach aus. Dann wäre es nicht mehr das Lager, das wir heute haben, in dem Menschen zum Teil mehrere Jahre leben müssen. Man darf bei aller Euphorie über die positiven Entwicklungen bei der Aufnahme in den Kommunen nicht diejenigen vergessen, die immer noch
im Lager Lebach leben müssen.

Ministerin Bachmann rechnet mit 5000 neuen Flüchtlingen in diesem Jahr im Saarland. Wir müssten Sorge tragen, dass die Zuwanderung nicht zur gesellschaftlichen Belastungsprobe werde, sagt sie. Wie verstehen Sie diese Äußerung?

Röder: Es gibt in der Gesellschaft noch immer einen rassistischen Block, der nach allen sozialwissenschaftlichen Studien bei rund 20 Prozent angesiedelt wird. Da gehört Pegida dazu. Da gehört aber auch das ganze Pegida-Umfeld dazu, das sehr stark auf die Karte Nationalismus und Rassismus setzt. Aber es gibt auch im Saarland ganz, ganz viele positive Initiativen von Nichtregierungsorganisationen in der Zivilgesellschaft, die gegenüber Flüchtlingen de facto eine Willkommenskultur in der Fläche
repräsentieren. Damit wurde auch den Stammtischen in den Parteien, die es auch immer noch gibt, signalisiert, dass man mit Flüchtlingen nicht mehr so wie in der Vergangenheit Wahlkämpfe gestalten kann, indem man sich rabiat und polemisch nationalistisch gegen Flüchtlinge ausspricht.

Der Saar-Flüchtlingsrat stellt sich seit Jahren gegen die Ausgabe von Lebensmittelpaketen in Lebach. Die Saar-CDU mauert aber ebenso lange gegen eine alternative Geldausgabe, und die SPD, die eigentlich dafür ist, hat es aus Gründen des Koalitionsfriedens auch auf die lange Bank geschoben. Sehen sie noch eine Chance auf einen Sinneswandel in der großen Koalition?

Röder: Jede Mauer hat irgendwann ihren Zenit überschritten und fällt zusammen. Es gibt inzwischen acht Bundesländer, in denen diese
Lebensmittelpaket abgeschafft worden sind, in denen von Sach- auf Geldleistungen umgestellt worden ist. Geldleistungen sind wesentlich billiger, als Lebensmittelpakete aus Baden-Württemberg nach Lebach zu fahren. Es liegt auch daran, dass in den acht Ländern ein massiver politischer Druck entfaltet worden ist. Das sind Niedersachsen, Hessen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Die Position der Saar-CDU ist rückwärts gewandt, bieder und altbacken.

Innenminister Klaus Bouillon hat ein Paket auf den Weg gebracht, um Flüchtlinge schnell in Wohnungen der Kommunen Unterzubringen. Reicht das aus?

Röder: Dies bewerten wir positiv. Aber es muss auch weitergehen. Vor allem zeigt die Initiative von Bouillon, dass das, was Jahre lang als nicht möglich bezeichnet worden ist, offensichtlich doch möglich ist.

Kampagnenstart in der Talstraße, Saarbrücken, mit Magnus Jung (SPD), sowie Roland Röder und Yasmin Breuer vom Flüchtlingsrat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht im Radio Salü, 19.06.2015:

 

Artikel in der Bild-Zeitung, 22.6.2015

 

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